Mainzer Str. 134 - Emigrantenlager und Standgericht in der Ulanenkaserne

„Nach dem 30. Januar 1933 betraf die politische Repression in Deutschland zunächst die Aktiven in der KP und SPD und ihr Umfeld, dann mehr und mehr auch andere Personengruppen. Gegen ethnische und religiöse Minderheiten wie gegen Juden und Sinti und Roma gerichtete Aktionen und Verordnungen waren rassistisch motiviert. Die repressiven Maßnahmen konnten willkürlich geschehen, hatten aber auch immer wieder gesetzliche Grundlagen, wie z. B. das sog. Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933, das ‚Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums‘ vom 7. April 1933, das ‚Gesetz gegen die Neubildung von Parteien‘ vom 14. Juli 1933 und das ‚Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei‘ (Heimtückegesetz) vom 20. Dezember 1934, das jedem staatlichen Übergriff eine juristische Basis verschaffte.

Nach der Installation der NS-Diktatur flüchteten ca. 600 Kommunisten sowie zahlreiche Sozialdemokraten, Künstler und Intellektuelle aus Deutschland ins Saargebiet. Ab März 1933 sind erstmals größere Zahlen von Emigranten zu registrieren; das hat u. a. seine Ursachen in der Gewalt gegen politische Gegner und den Berichten aus den ersten Konzentrationslagern, die bereits im März 1933 bekannt wurden. Bis Ende März 1933 gab es im Saarland ca. 300 politische Flüchtlinge, bis April 1933 bis zu 700 Flüchtlinge. Ferner wanderten bis Mai 1933 ca. 600 jüdische Flüchtlinge über das Saargebiet aus.

Die im Exil befindliche Sozialdemokratische Partei Deutschlands (Sopade) nennt für Ende November 1933 ca. 1.200 politische Flüchtlinge an der Saar, von denen ca. 870 SPD-Mitglieder oder Nahestehende waren. Bis Ende März 1934 waren mehr als 37.000 Personen über das Saargebiet emigriert; ca. 5.000 bis 6.000 hatten sich hier vorübergehend niedergelassen.

Die soziale Lage der Emigranten war geprägt von finanziellen Nöten, politischer Unsicherheit, teilweise schwierigen Wohnver­hältnissen und Bespitzelung.

Außer der praktischen Unterstützung war auch der politische Aus­tausch in Cafés, Restaurants und bei Veranstaltungen von großer Bedeutung.

Beliebte Treffpunkte waren das Haus der Arbeiterwohlfahrt, das Gasthaus Stiefel am St. Johanner Markt und die Pension von Ma­rie Juchacz in der Bahnhofstraße.

Neben den Parteien KP und SPD wurden die Emigranten im Saar­gebiet auch durch andere Organisationen wie die Internationale Arbeiterhilfe (IAH), die Liga für Menschenrechte, die Rote Hilfe und die Arbeiterwohlfahrt (AWO) unterstützt.

Durch vermehrte Angriffe von rechten Schlägertruppen der SA-Kommandos, z. B. auf die Unterkünfte in der Ulanenkaserne und in dem Lager der Grube Von-der-Heydt wurde es notwendig, Selbstschutzgruppen aufzubauen. Dadurch gelang es im Septem­ber 1934 zweimal, solche Angriffe abzuwehren.

Eine dieser - eigentlich verbotenen - Selbstschutzgruppen grün­dete sich am 11. Juli 1934 unter dem Tarnnamen „Gesangverein Gemütlichkeit“ in der Unterkunft in der ehemaligen Ulanenkaser­ne. Einige versuchten, von der Regierungskommission die Erlaub­nis zu bekommen, Waffen tragen zu dürfen. Das wurde natürlich abgelehnt.

Auf dem Dach der Unterkunft in der Mainzer Straße wurde eine Alarmanlage installiert.

Standgericht

Im Bunker der ehemaligen Kaserne in der Mainzer Straße wurde kurz vor dem Kriegs­ende ein „Standgericht“ eingerichtet. Meistens wurden Zwangsarbeiter und Kriegs­gefangene zum Tode verurteilt. Die Hinrichtung fand direkt nach der Urteilsverkün­dung auf dem Gelände statt.“

Zitierte Literatur:

  • Werner Brill. Politischer Stadtführer. Saarbrücken 1933 bis 1945. Saarbrücken 2021, S. 46-48.

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